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Wolfgang Fobo

Der indische Bahnübergang


Ich fuhr von Delhi nach Meerut, und mein Chauffeur hatte es eilig – vielleicht wollte er mir auch dadurch Ehre erweisen, dass er so heizte, in seinem alten Ambassador. Nun denn, wir kamen an einem Bahnübergang an, Schranke war unten, die ersten Autos warteten schon. Mit mir als „VIP“ an Bord wollte er sich wohl nicht in die Schlange einreihen, sondern fing eine neue Spur an, überholte die wartenden Autos und fuhr vor bis zur Schranke. Auf der Gegenspur. Kurze Zeit drauf reihten sich weitere Autos in die Zusatzschlange ein. Gegenüber dasselbe Phänomen, ebenfalls auf der dortigen Gegenspur eine zweite Schlange. Als wäre das nicht genug, musste wohl ein weiterer Chauffeur ebenfalls einen VIP an Bord gehabt haben, denn neben uns war noch eine Restspur frei für eine weitere Schlange, und die wurde dann besetzt. Wie übrigens auch auf der Gegenseite. Ich war fasziniert, was für ein Schauspiel, und ich freute mich regelrecht auf das Erlebnis, wenn der Zug durchgefahren war und sich die Schranke hob. Wie sich dieser Knäuel wohl entwirren wird? Ich weiß heute nicht mehr, wie das funktionierte, technisch war das eigentlich nicht möglich, wir standen in 3 Reihen gegenüber, nirgendwo eine Spur frei zum Vorbeifahren. Aber mit viel Hupen und Gedränge ging es dann irgendwie doch.

Dieses Erlebnis musste ich mit unserem Vertreter diskutieren. „Ihr Inder seid alle so egoistisch, jeder will der Erste sein, und vor lauter Einzelinteressen bewegt sich im Endeffekt nichts“, meinte ich. Und mein Vertreter bestätigte meinen Standpunkt. Auch heute noch, Jahre nach diesem Erlebnis, sehe ich nicht, wie in Indien der Fortschritt organisiert Einzug halten soll. Privat geht immer was, sicher sind die Inder sehr findig und nutzen ihre Chance. Aber eine gesteuerte Entwicklung wie in China kann ich in Indien nicht erkennen.

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